Tanzfabrik
Berlin
Bühne
Bühne

R.E.D. Residenz-Künstler*innen

2023

virginnia

Virginnia Krämer aka Ogechi

PROJEKT
hair pulling“ (AT)
„hair pulling“ (AT) seziert Fragen rund um ein individuelles sowie kollektives Schwarzes, möglicherweise queeres Verhaltensmuster; hair pulling/Haardenken/hair thinking. Als everlasting Politikum, Wissensquelle und Lernort für Schwarze Geschichte(n), für Arten und Weisen des Kümmerns um sich selbst und andere, wird Afrohaar zum Ausgangspunkt dieses Prozesses. Dabei nimmt dieser mitunter die Physikalität des Vorgangs in den Blick: Wann ziehe ich Knoten aus meinen Haaren? Warum ziehen wir Knoten aus unseren Haaren? Was passiert dabei gedanklich, physisch, haarlich? Wie korreliert der Vorgang mit Rassismus-basiertem Stress? Wie klingt hair pulling? Warum lehnt sich mein Oberkörper meist nach links während des Ziehens? Was können wir übers Ziehen, Suchen, Parten, Wachsen und die Kraft unserer Finger lernen? „hair pulling“ bepflanzt im Kontext einer Praxis, die basierend auf meinem choreografischen Forschungsprozess zu Schwarz und Adoptiert sein entwickelt wurde, den Haar-Aspekt; Roots (past), present (body) und future (hair) strukturieren dabei unterschiedliche performative und somatische Zugänge, die gemäß des afrofuturistischen Prinzips ineinander fließen und sich gegenseitig bedingen.

↪ BIOGRAFIE
: Virginnia Krämer aka Ogechi 
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Nora Amin

PROJEKT
The Migrant Dance
Das Residenzprojekt lädt Communities von Frauen mit Migrationsgeschichte/-erfahrung oder einer Erfahrung von Vertreibung dazu ein, kollaborative, verkörperte Räume zu finden, in denen Tanz zu einer Begegnung des gegenseitigen Empowerments und der Feier des Selbst werden kann. Ausgehend von meinem eigenen choreografischen und feministischen Ansatz für den Baladi-Tanz (im westlichen Kontext als "Bauchtanz" bekannt), werde ich die Möglichkeit untersuchen, diese Begegnung in eine stärker strukturierte/choreografierte Praxis umzuwandeln, bei der das Training fast zu einer Aufführung für die Gruppe und durch die Gruppe wird. Folgende Fragen werden mich dabei begleiten: Wie kann der Baladi-Tanz durch einen verkörperten feministischen Ansatz entkolonialisiert werden? Und welche Choreografien können aus der Anerkennung der traumatischen Erfahrungen des migrantischen Körpers und der generationsübergreifenden Wunden entstehen? Die Residenz wird in ein Tanzvideo gipfeln, das ein breiteres Publikum anspricht und die Erfahrung von Community Dance (basierend auf Elementen meines choreografischen Stils des Baladi-Tanzes) als eine Form verkörperter Heilchoreografie zeigt. Das wirft auch die Frage auf, was mit dem Community Dance passiert, wenn er in den Rahmen einer digitalen Performance gebracht wird. Die Residenz wäre ein Raum für Erkundung, verkörperte Forschung und Entwicklung einer choreografischen Sprache, die den Baladi-Tanz transformiert und gleichzeitig die nicht inszenierten und stigmatisierten Tanzkörper heilt und feiert.

ABSCHLUSSARBEIT IHRER RESIDENZ 
The Migrant Dance (Video)
↪ Link zum Video

↪ BIOGRAFIE: Nora Amin
olivia_hyunsin_kim

Olivia Hyunsin Kim & Jones Seitz

PROJEKT
Foam
In unserer Recherche wollen wir uns mit der Praxis des Ruhens als kollektiver Praxis von Fürsorge auseinandersetzen. Dies würden wir gerne aus einer intersektionalen Perspektive tun. In einer kapitalistischen Gesellschaft ist Krank sein, besonders für Freiberufler*innnen, ein individuelles, und nicht ein gemeinschaftliches Problem. Wir empfinden diese Tatsache als problematisch. Der „einzige Ausweg“ für Künstler*innen mit chronischer Krankheit oder Behinderung scheint dann oft zu sein, von der Bildfläche zu verschwinden. In unserer Recherche möchten wir Ruhen deswegen künstlerisch als einen gemeinsamen, gesellschaftlichen Raum gestalten. Unsere Praxis des Ruhens soll dabei keine Reproduktion von der im Kapitalismus eingenommenen Self-Care Routine sein. Diese Art von Self-Care ist sehr individuell und bezieht sich auf die Bedürfnisse von einer Person. Sie muss erst konsumieren, um zur Ruhe zu kommen. Interessanterweise geht der Begriff Self-Care im westlichen Raum auf eine Idee der unabhängigen Frauengesundheitsbewegung und den Black Panthers in den USA in den 1950er-Jahren zurück. Self-Care füllte hier eine Lücke von Sozialleistungen, die der Staat für marginalisierte Gruppen nicht aufbrachte und die stattdessen von aktivistischen Gruppen initiiert und zur Verfügung gestellt wurden, wie z.B. kostenloser Frühstückservice für Schwarze Kinder oder safer spaces. Diese Services richteten sich nicht ausschließlich an einzelne Individuen. Vielmehr stand die Vorstellung von einer Gemeinschaft im Vordergrund, in der auch individuelle Bedürfnisse Platz finden sollten. Solche Sozial-Räume möchten wir gerne in unserer Residenz gemeinsam künstlerisch gestalten.

↪ BIOGRAFIE: Olivia Hyunsin Kim
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Thiago Rosa & Johanna Ryynänen

PROJEKT
Urban Foragers Forschung zur Nahrungssuche in einem städtischen Umfeld durch die Brille des Ökofeminismus.

Können wir die Idee der Nahrungssuche erweitern und über die reine Materialbeschaffung hinaus praktizieren? Können wir auch immaterielle Dinge zusammentragen?

Die Idee von „Urban Foragers“ ist es, den Akt des Sammelns als performatives Dispositiv zu nutzen. Der urbane Raum Berlins dient dabei als Quelle für diese Sammlung. Bewegungen, Worte und Objekte verknüpfen sich über Methoden des Gehens, Sammelns, Zusammenstellens und Verwandelns miteinander und bringen so ein künstlerisches Forschungsmaterial hervor.

Inspiriert von den Theorien und Praktiken von Silvia Federici, Adriana Schneider und Thiago Florencio werden wir uns mit der Praxis der Nahrungssuche im städtischen Umfeld als politische und performative Untersuchung der Existenz in unterdrückerischen Systemen des neoliberalen Kapitalismus beschäftigen. Dabei beziehen wir uns auf die Zeit vor der landwirtschaftlichen Revolution und auf Ideen, die vor denen des Besitzes liegen, sowie auf die Ausübung von Autorschaft über Land und andere Körper, um uns durch und mit Performance, Körpern und Landschaften eine alternative, von der Vergangenheit geprägte Zukunft vorzustellen.

↪ BIOGRAFIE: Thiago Rosa

↪ BIOGRAFIE: Johanna Ryynänen

2022

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Makisig Akin

Makisig Akin (Dey/Deren/Demm) ist Choreograf*in, Tänzer*in, Künstler*in, Aktivist*in und Transgender-Filipino, aufgewachsen und geboren auf den Philippinen. Akin lebt und arbeitet derzeit in Berlin, Deutschland. Akins künstlerische Arbeit konzentriert sich auf die Stärkung der Anerkennung intersektionaler Identitäten, die Rückbesinnung auf die eigene Herkunft und die Dezentralisierung westlicher Ideologien im Tanzschaffen. Dey ist daran interessiert, den Prozess des Tanz-Machens neu zu gestalten. Wie kann der Prozess den Tänzer*innen dienen, während sie weiterhin die Möglichkeit haben, den Verlauf der Arbeit zu steuern? Wie können sie eine Gemeinschaft schaffen, die jenseits der Identität funktioniert und gleichzeitig die Identität ehrt? Akin hat einen Bachelor-Abschluss in Kognitionswissenschaften mit Spezialisierung auf Neurowissenschaften und Tanz an der University of California San Diego, Kalifornien, USA, und seit 2019 ihren Master of Fine Art in Tanzchoreografie im Programm World Arts and Cultures/Dance an der University of California Los Angeles, USA. Akin's physischer Tanzhintergrund umfasst unter anderem: Traditioneller philippinischer Tanz, Kontaktimprovisation, Kung Fu, Improvisation, Gehmeditation, Authentic Movement, Bouldern/Klettern und zeitgenössischer Tanz.

Performance ↪  Emerging Change: Give me your heart. No, the real one.
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Adrian Marie Blount aka GodXXX Noirphiles

GodXXX Noirphiles (Adrian Marie Blount) — Elternteil von Chance Aijuka / nicht-binärer Femme Boi / Gründer*in / Organisator*in / Kurator*in / DJ — leben in Berlin und kommen aus San Diego, CA. Nach dem Studium an der San Francisco State University, wo er*sie ihren BA in Theaterwissenschaften gemacht haben, traten sie in New York auf, reisten mit einer Wandertheatertruppe durch das Land und zogen dann nach Rhode Island, um mit verschiedenen Programmen der Brown University aufzutreten, darunter das Center for Slavery and Justice, Brown/Trinity und Trinity Repertory Theatre. Seit er*sie in Berlin sind, haben Adrian antirassistische und kollektive Heilungsworkshops mit verschiedenen Organisationen wie Dice Festival and Conference und AfriVenir unterrichtet, international aufgelegt, und sind in den Münchner Kammerspielen, der Volksbühne Berlin, dem Gorki-Theater, den Sophiensaelen, dem Ballhaus Naunynstraße und dem English Theatre Berlin (und anderen) aufgetreten. Adrian sind der*die Gründer*in und Hauptorganisator*in des Drag-Kollektivs House of Living Colors für ausschließlich queere und trans BIPoC.

Performance ↪  Emerging Change: Power Tower Pishiboro
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Frida Laux

Frida Laux (sie/ihr) beschäftigt sich mit Kunst als (kon)textueller und sozialer Praxis und arbeitet als Künstlerin und Vermittlerin im erweiterten Bereich der performativen Künste. Mit einem Hintergrund in Tanz und Choreografie folgt sie einem fortwährenden Interesse an Körpern und andere Entitäten als Orte der Wissensproduktion, die die Wahrnehmung dessen, was ist und was sein könnte, verändern können. Sie untersucht Zugänglichkeit und Verantwortlichkeit als relationale und generative Praktiken und ist an der Organisation des Performing Arts Forum in St. Erme (Frankreich) beteiligt. Zu ihren jüngsten Arbeiten gehören die Tanzperformance „Still To Come - A Feminist Pornscape“; „Paradance“, ein Buch und eine Installation über Tanz als Praxis des Widerstands; „Ki(n)“, eine kollektive Forschungsarbeit mit Kindern über Wald als Drag. Ihre kollaborative Arbeiten wurden an Orten wie dem Künstler*innenhaus Mousonturm Frankfurt, Teatro Il Lavatoio Santarcangelo, Queer Zagreb Festival, MOT Festival Skopje, Act Festival Bulgaria, Hessische Theatertage, Festival Implantieren Frankfurt gezeigt. Demnächst erscheint die Publikation „Access and Exhaustion“, eine Sammlung von Praktiken und Perspektiven, die untersuchen, wie wir unser Verständnis von Zugänglichkeit in der Kunst und darüber hinaus erweitern können.
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Lau Perez* Kollektiv Transperreo

Lau Perez (keine oder dey) ist Performer*in und Produzent*in und arbeitet zudem als Makeup- und Haarkünstler*in. Lau Perez ist außerdem Mitglied des Transperreo-Kollektivs. Einen Teil seiner*ihrer Zeit widmen dey der Organisation von Veranstaltungen und der Zusammenführung von Gruppen, um die Solidarität der migrantischen Queer-Community in und über Berlin hinaus zu beleben. Lau Perez´ Motivation ist es, Ressourcen durch Aktivitäten zu mobilisieren. Das tun dey zum Beispiel, indem sie Bewegung und Vergnügen in Soli-Events verbinden, was auch den Verkauf von Lebensmitteln mit einschließt, um Spenden dorthin zu schicken, wo sie gebraucht werden. Dey haben die Mitglieder von Transperreo durch solche Aktivitäten kennengelernt, die verschiedene Formen des Aktivismus beinhalten, u.a. auch durch Perreo Marik, einen politischen Block, der bei der Pride, dem 8. März (Internationaler Frauentag) und anderen politischen Treffen auftritt. Das Ziel von Transperreo ist es, den öffentlichen Raum zu nutzen und Queers zum gemeinsamen Widerstand zu ermutigen. Durch das Tanzen fordern sie das Vergnügen an ihren Körpern und Identitäten zurück, die von den aufgezwungenen Religionen, dem Patriarchat und der heteronormativen Gesellschaft vernachlässigt worden sind.
Lau Perez ist Mitglied von Transperreo, einem Kollektiv, das sich hauptsächlich aus Personen aus Abya Yala*, aber auch aus anderen nicht-hegemonialen Gebieten zusammensetzt. Transperreo kritisiert die Art und Weise, wie das koloniale Erbe unsere Körper und Sexualität beeinflusst und uns patriarchale, binäre, rassistische und kapitalistische Beziehungsformen auferlegt hat, die auf Ausbeutung und Diskriminierung basieren. Dazu nutzt es verschiedene künstlerische und performative Praktiken rund um die Perreo-Musik, den Tanz und die Art des Feierns sowie die damit verbundene Ästhetik und Aussagen. Das Kollektiv fordert Bewegung, kollektive Fürsorge, Begehren und hüftschwingende Euphorie als kraftvolle Mittel zur Überwindung auferlegter Ordnungen. Durch diese Praktiken wollen sie an den historisch aufgeladenen Orten, an denen sie sich derzeit aufhalten, zum Nachdenken und Handeln anregen. Als Drag-Performer*in, Tänzer*in, bildende Künstler*in, Kunsthandwerker*in, DJs oder in ähnlichen Rollen zu leben und zu arbeiten, heißt auch mit den Subjektivierungsaufforderungen der Marketingindustrie konfrontiert zu werden. Anstatt die eigene Kreativität und politischen Positionen einer Kommerzialisierung des „Latinidad“ zu unterwerfen, kollaborieren die Mitglieder des Kollektivs miteinander und setzen auf Selbstorganisation – was die Bande untereinander nur noch stärker macht.

* Abya Yala ist ein aus der Sprache der Kuna in Panamá und dem nordwestlichen Kolumbien stammender, vorkolonialer Name für den amerikanischen Kontinent vor der Ankunft von Christoph Kolumbus und der Europäer.
** Latinidad ist ein spanischsprachiger Begriff, der sich auf die verschiedenen Attribute bezieht, die von lateinamerikanischen Menschen und ihren Nachkommen geteilt werden, ohne diese Ähnlichkeiten auf ein einziges wesentliches Merkmal zu reduzieren.
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Elvan Tekin

Elvan Tekin (sie/ihr) ist eine in Berlin lebende Tänzerin, Choreografin und Community-Organisatorin. Als kurdische Frau in der Geopolitik Westasiens aufgewachsen, liegt ihr künstlerisches Interesse in den komplizierten und fließenden Begriffen von Körper, Sprache und Bildung, Mutation und Transformation von Identität. Im Jahr 2022 wurde Elvans Forschung „Poetik des politischen Widerstands“ durch die #TakeHeart-Residency auf Kampnagel Hamburg gefördert. Vor Kurzem präsentierte sie ihre Solo-Performance „to be a fish in a raki bottle“ bei den Tanztagen 2023 in den Sophiensælen Berlin. Elvan ist Gründerin, Co-Kuratorin und Organisatorin des kuratorischen Projekts emergent spaces, das sich mit queeren und trans*-feministischen Perspektiven in der Diaspora beschäftigt. Derzeit studiert sie MA Choreographie am HZT Berlin.
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Dafne Narvaez-Berlfein

Dafne Narvaez Berlfein (she/ihr) lebt als Film- & Videokünstlerin in Berlin und lehrt und forscht zur Medienästhetik in Geschichte und Gegenwart. Von einem kollaborativen Ansatz her und aus einer intersektionalen Perspektive arbeitet sie entlang und jenseits der Genre- und Mediengrenzen. Ihre visuellen Arbeiten entstehen meist im Dialog mit dem Schaffen anderer Künstler*innen und immer mit einem DIY- / DIWO-Anspruch (do it with Others). Sie waren an der Deutschen Oper, der Luxemburger Philharmonie, bei der Documenta 14 und vielfach andernorts zu sehen.

Dafne Narvaez Berlfein forscht insbesondere zu Künstler*innen, die in Underground-Kontexten produzieren und sich mit Erfahrungen von Entwurzelung auseinandersetzen. Sie unterrichtet(e) unter anderem an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig, der Universidad de Buenos Aires und an der Berliner Universität der Künste. 

Alle ihre Projekte verbinden das Anliegen einer Dezentralisierung gesellschaftlich-kultureller Strukturen durch den künstlerischen Diskurs. 

Ana Libório

Ana Libório (they/them) ist eine nicht-binäre Künstler*in, Tänzer*in und Performer*in, Ana arbeitet an der Schnittstelle von Performance, Videospielen und bildender Kunst. Ihre*seine gesamte performative Arbeit hinterfragt den hybriden Körper als choreografisch-digitale Repräsentation in einer intermodalen performativen Forschung und erweitert so den Bereich der performativen Praxis als Strategie des soziopolitischen digitalen Engagements. Anas Praxis befasst sich mit Fragen der Dekolonisierung digitaler Schnittstellen und der Dezentralisierung westlicher Ideologien im Performancebereich. Indem sie*er Choreografie als erweiterte physische Experimente betrachtet, die improvisatorisch und imagistisch sind, spielt Ana sie mit Körpertransformationen durch Verkörperung.

2021

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Jee Chan

 Seit 2015 habe ich eine Reihe von Arbeiten entwickelt, die auf der Beziehung meines Körpers zu verschiedenen anderen Wassergebilden basieren. Die Kontexte, in denen diese Serie angesiedelt ist, und die Beweggründe, die ihr zugrunde liegen, sind vielfältig. Aber in ihnen allen hallt die Erfahrung meiner Großmutter mütterlicherseits wider, die eine Seeüberfahrt unternahm, um vor einer japanischen Invasion ihrer Heimat in Guangzhou nach Singapur zu fliehen. In meiner aktuellen Praxis geht es darum, die Welt durch ozeanzentrierte Perspektiven neu zu denken, die sich von einem statischen Verständnis postkolonialer Identitäten und Territorien lösen. Während meines Aufenthalts in der Tanzfabrik werde ich meine Forschungen zu Mündlichkeit und verkörpertem Wissen in südostasiatischen Kontexten erweitern, v.a. durch die parallele Entwicklung von zwei choreografischen Projekten - bendungan und sea flights (beide landeten an einem Strand wie diesem). Ich werde dies gemeinsam mit Personen tun, die eine diasporische Geschichte haben, sowie mit spezifischen Orten in und um Berlin.

Biografie Jee Chan

Interview Jee Chan
carrie_mcilwain

Carrie McILwain

Der Haufen und Der Scheiterhaufen.

Die Figur der Hexe bietet meiner Praxis ein kristallines Denken, vielschichtig und glatt für symbolische Projektionen. In meiner Forschung in diesem Jahr habe ich mich mit den historischen Opfern und ihren Prozessen (Anschuldigung, Verhör, Hinrichtung) beschäftigt, wie sie in Gerichtsdokumenten, theologischen Debatten (Malleus Maleficarum) und in Holzschnitten (von 1300-1800) festgehalten sind. Diese Dokumente sind Ausgangspunkte für eine Praxis des spekulativen Feminismus (Donna Haraway) der somatischen Fantasie, die nach dem Wissen sucht, das im Körper der Hexe und in dem Holz, das ihr zur Seite gestellt wurde, lag.
 
Im August werden Josephine Brinkmann, Suvi Kemppainen, Johanna Ackva und ein Stapel Holz (Totholz) aus dem Tegeler Wald zu mir ins Atelier kommen, und gemeinsam werden wir uns bewegen - und über Textangebote von Silvia Federici, Jane Bennett und den anderen hier erwähnten nachdenken.  Wir werden die hölzerne Materialität einladen und die Aufmerksamkeit auf Akteure, Stimmen, Körper und die Schwerkraft des Zusammenseins lenken, während wir stapeln, tragen, lehnen - auftürmen. Die Hexe ist eine Figur, die sich zwischen Binaritäten oder Bereichen bewegen kann, die in zyklischer Weisheit verankert ist - phasenweise Existenz, intersektional und inklusiv. Eine Figur, die eher die Macht im Inneren als die Macht über sich selbst ausübt (Starhawk) und verurteilt wurde, weil sie eine illegitime (Zugang zu) Macht ausübte.  Wenn diese Macht nicht durch die akzeptablen Mittel des ererbten Privilegs, der Akkumulation in kapitalistischen Unternehmen oder durch gewaltsame Aneignung erlangt wurde, handelt es sich um ein Wissen, eine Handlungsfähigkeit, die sich unsere heutige Welt dringend vorstellen oder wiederentdecken muss.
 
Der Haufen ist eine umfassende und chaotische Masse. Er ist voll von Spinnen, Insekten, verrottendem Material, frisch geschlagenem Holz, Schimmel, Bakterien, Gefallenem und Vergessenem. Der Scheiterhaufen ist eine Neuordnung, ein Ordnen dieser Materialien zum Zweck der Bestrafung innerhalb der menschlichen Kultur. Durch die Einbeziehung des menschlichen Subjekts entsteht eine vorletzte Zusammenarbeit zwischen menschlichen und nicht-menschlichen Elementen. Wenn die Flammen ihr Spiel beenden, entsteht erneut ein Haufen, diesmal mit Asche, Erinnerungen in den Knochen und Ästen, die nicht verbrannt sind, Staub setzt sich ab und neue Elemente gedeihen. Durch die Performance werden wir diese Formen erforschen und nach der Choreografie des Haufens und einer ästhetischen Aktion der Rückgewinnung suchen.

Biografie Carrie McILwain

Interview Carrie McILwain

Roger Sala Reyner

In ihrem Essay "The Carrier Bag Theory of Fiction" bezieht sich Ursula K. Le Guin auf Elizabeth Fishers Carrier Bag Theory of Human Evolution. In ihrem Buch  “Woman’s Creation: Sexual Evolution and the Shaping of Society" sagt Fisher: "Das erste kulturelle Utensil war wahrscheinlich ein Gefäß (...) ein Behälter zur Aufnahme gesammelter Produkte (...)". Und Le Guin führt weiter aus: "Ein Blatt, ein Kürbis, eine Muschel, ein Netz, ein Beutel, eine Schlinge, ein Sack, eine Flasche, ein Topf, eine Kiste, ein Behälter. Ein Halter. Ein Empfänger."

Ich habe vier Kollaborateur*innen, mit denen ich eine fortlaufende Arbeitsbeziehung habe, eingeladen, dieses Behältnis im Sinne der „Carrier Bag“, mit mir zu füllen: Jede*r von uns hat die Aufgabe, jeweils eine Woche im Studio zu kuratieren, d.h. 5 mal 5 Tage gegenseitiger Austausch, an dem sich auch Andere beteiligen werden. In der sechsten Woche der Residenz kommen wir wieder zusammen, um das Gesammelte gemeinsam anzuschauen. Anstatt ein scharfes Werkzeug zu sein, das eine Inszenierung herausschält, soll diese Residenz durch unsere sehr eigene und inkongruente gegenseitige Großherzigkeit ein weicher Behälter werden, eine fürsorgende und tragende Tasche, die weit genug ist, um alles aufzunehmen und zur Verfügung zu stellen, was wir bereit sind zu teilen und auf dem Weg zu finden. Darin werden wir lustvoll unsere Rollen tauschen und spielerisch das Unmischbare mischen, bis dem Schoß unserer unvorhersehbaren Ko-Kreation etwas Schönes entspringt.
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Litó Walkey 

Meine Arbeit entwickelt sich kollaborativ durch Kreisläufe von interdisziplinären Prozessen und arbeitet mit Sprache und Schrift als Vermittlungsinstrumenten, die kollektive Prozesse nähren und Verdichtungen, Übersetzungen, Unterbrechungen und Verschiebungen von Ort, Sinngebung und Absicht stimulieren. Diese Residenz wird die Entwicklung meines Langzeit-Forschungsprojekts 'Critical Ecologies in Choreographic Practices' fördern, das sich mit alternativen Formen der Verbreitung kreativer Prozesse beschäftigt. Das Projekt zielt darauf ab, öffentliche Räume für kritisches Denken und Experimentieren zu schaffen, die nicht an eine einzelne Autorenschaft, Disziplin oder einen Terminus gebunden sind. Im diskursiven und praktischen Austausch mit in Berlin lebenden Kolleg*innen wird untersucht, wie die Praxis des Publizierens, Kuratierens und das Aufnehmen von Audiospuren das partizipatorische Engagement fördern können. Ergänzt wird dies durch den Dialog mit der Autorin/Künstlerin/Verlegerin Renee Gladman, dem Musiker/Komponisten Boris Hauf und der bildenden Künstlerin/Set-Designerin Nadia Lauro.

Biografie Litó Walkey

Interview Litó Walkey